Filmkonzeption 3.0 – Die ersten Meter sind gemacht.
Vergangene Woche war es soweit: Nachdem wir uns lange dafür stark gemacht haben, die Filmkonzeption für Baden-Württemberg nach 12 Jahren wieder zu erneuern, traf sich nun eine große Runde aller Beteiligten um sich erstmals über die Ausrichtung einer neuen Filmkonzeption auszutauschen und den aktuellen Stand unserer Regionalförderung MFG Baden-Württemberg zu beleuchten. Es sollten sehr Interessante, teils auch hitzige neun Stunden werden…
Die MFG lud im Namen des Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg nach Stuttgart ein und eine Vielzahl an Vertretern war erschienen. Dabei waren nicht nur die drei Beteiligten Ministerien (MWK, Staatsministerium und Finanzministerium), die örtlichen Hochschulen und Universitäten, sondern auch ein Querschnitt aus der Branche in Baden-Württemberg. Aus dem Animation Cluster kamen Produzenten, viele Verantwortliche aus dem Fernsehbereich, Interessensvertreter aus der Kinobranche und natürlich auch eine starke Abordnung des Filmverbands.
Eröffnet wurde die Debatte mit einem treffenden Blick von Außen auf unsere Branche in Baden-Württemberg: Professorin und Leiterin der Hochschule für Film und Fernsehen Bettina Reitz legte direkt ihren Finger in eine Wunde, die schon in den vergangenen Filmkonzeptionen ein Thema war und erst neuerlich in einer Denkschrift vom Rechnungshof auch angemerkt wurde:
Festivalerfolge und Erstlingswerke junger Talente, wie „Die beste aller Welten“ von Adrian Goiginger oder „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt stammen zwar aus Ludwigsburger Schule, doch die Produktionsfirmen hinter den Projekte sitzen nie in Baden-Württemberg. Es fehlt an einer unabhängigen Produzentenlandschaft vor Ort, mit Produktionsfirmen, die auch in der Lage sind, den nächsten und übernächsten Film einer Karriere anzustoßen und nicht nur Debütfilme.
Schon in der letzten Filmkonzeption wurde der Grund hierfür benannt: Mit den regionalen Begebenheiten und der starken Abhängigkeit vom SWR lässt sich mittel- und langfristig keine Produktionsfirma tragen, nicht mit Debütfilmen und kleinen Kinokoproduktionen. Dieses Statement wurde von Jochen Laube (Sommerhaus Filmproduktion) auch nochmals unterstrichen. Im Laufe des Nachmittags wurde die Vermutung geäußert, dass der SWR mit dem Gedanken spielt, den Etat für Kinokoproduktionen zu senken – was ein Fatal wäre.
Ein einfaches Standing hatten die Vertreter des SWR in dieser Sitzung nicht, neben Barbara Biermann (Leiterin der Hauptabteilung Film und Doku) waren auch Landessenderdirektorin Stefanie Schneider und Fernsehfilmchef Dr. Manfred Hattendorf anwesend und erläuterten die Senderpolitik. Vom ZDF aus Mainz war kein Vertreter anwesend, obwohl seit 1999 die MFG auch vom ZDF mitfinanziert wird, so konzentrierte sich viel angestauter Unmut über die Sender auf den SWR.
Der Leiter der MFG Carl Bergengruen bilanzierte die vergangenen Jahre und Erfolge der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg und betonte nochmals, dass die MFG auch weiterhin sehr stark auf regionale Bezüge und einen großes Regionaleffekt achten wird. Es wurden zwar zwei VoD-Koproduktionen unlängst gefördert, solange sich die Streaming Anbieter aber nicht auch auf regionaler Ebene bei den Förderungen mit einbringen, dürfe auch keine Förderung seitens der MFG für deren Projekte erwartet werden. Auch die Vertreter der VoD Anbieter, welche ebenfalls geladen wurden, waren nicht anwesend – ein Zeichen für mangelndes Interesse an Länder(film)politik?!
Ein Film beginnt nicht erst mit den ersten Metern Zelluloid, sondern mit dem Buch – hier sahen viele eine mangelnde und zu geringen Förderschwerpunkt. Nicht nur Bettina Reitz wünschte sich mehr Budget und damit auch mehr Zeit, um Drehbücher ( Egal ob Fictional oder Doku) exzellent werden zu lassen. Die bisherige Förderstrategie unterstützt zwar junge Talente wie keine andere, aber die Entwicklung von jungen Stoffen sollte mindestens genauso ernst genommen werden. Diese Ansicht vertraten auch die rege Anzahl an Dokumentarfilmern und Produzenten im Raum.
Ein großer Erfolg der vergangenen Filmkonzeptionen war auf jeden Fall die VFX- und Animationsbranche von deren größten Playern mittlerweile, bis auf eine Ausnahme, alle einen Sitz in BaWü besitzen oder hier gar heimisch sind. Ein großer Erfolg gezielter Wirtschaftsförderung und Vernetzung unter anderem durch den Animationcluster – einzigartig in Deutschland.
Doch auch die Animationsbranche hat ihre Sorgen: Ein großer Wunsch sind vereinfachte Förderstrukturen und Verfahren, größere Fördersummen oder Tax-Incentives, um die internationalen Produzenten noch stärker an die regionale VFX Branche zu binden. Für einen US-Prodzenten ist unser Fördersystem nicht sonderlich attraktiv, da sehr aufwändig und verhältnismäßig klein. In einer rein digitalen Arbeitswelt, wie der VFX Branche ist es ein leichtes, seine Dienstleister zu wechseln, egal aus welchem Land oder Kontinent. Um den Standort weiter zu stärken, wären solche Anreize für internationale Produzenten notwendig.
Auch die jungen Konsumenten der Gegenwart und der Zukunft waren Teil der Diskussion. Philipp Schild Head of Content bei funk referierte über das Universum der Sozialen Netzwerke, den Bewegtbildcontent und über kurze Clips statt Überlängen. Dass ein Kanal der öffentlich-rechtlichen über Snapchat einen beeindruckenden Anteil der Zielgruppe im deutschsprachigen Raum erreicht, hätten wohl viele nicht gedacht. Nach nur zwei Jahren steht funk für ein attraktives Angebot, abseits linearer Ausstrahlung – einen großen Anteil daran tragen die jungen Leute und die Einbeziehung der Ausspielung in die Konzeption. Ob Content für Snapchat, Instagram, Facebook oder Youtube produziert wird, bedeutet ein großes konzeptionelles Umdenken – viele der Ihnen angebotenen Stoffe sind am Publikum vorbei geschrieben oder gar ganz ohne ein Verbreitungskonzept. Auch bei den Förderungen braucht es da ein Umdenken: Junge Contentproducer brauchen flexible, schnelle Förderungen, die auch nicht -lineare Inhalte fördern können.
Der Themenkomplex Soziale und Ökologische Nachhaltigkeit wurden nur am Rande der Diskussion angesprochen, das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie wurde in Bettina Reitz Eingangsrede als wichtig mit eingebracht, genauso wie mehr Mut zu Europa – schließlich sitzen wir direkt an der Grenze zur Schweiz und zur Kino-Grande Nation Frankreich und bisher wird das kaum genutzt.
Es kam Vieles innerhalb der knapp neun Stunden auf den Tisch und es wird sicher auch noch vieles folgen.
Weiter geht es mit fünf halbtägigen Diskussionsrunden zu einzelnen Themenschwerpunkten, bevor dann Anfang kommenden Jahres ein erster Entwurf zur neuen Konzeption vorliegen soll. Auch wir werden das ganze weiter begleiten: In den kommenden Woche folgt ein kleiner Rückblick auf die vergangene Filmkonzeption und ihre Erfolge.