Stellungnahme – Geschlossener SWR Requisitenfundus
Das Thema Nachhaltigkeit ist in den vergangenen Tagen aus den medienjournalisitischen Redaktionen nicht weg
zu denken. Mit den neuen ökologischen Mindeststandards in Deutschland haben wir einen weiteren Schritt
dafür getan, dass auch die Medienbranche die angestrebte Klimaneutralität der Bundesregierung aktiv umsetzen
wird. In starkem Kontrast hierzu steht allerdings die Realität, dass seit Sommer mehrere Sprinter pro Filmprojekt Requisiten aus Köln und München abholen oder in speziellen Fällen gar in Hamburg oder Berlin Möbel abholen. Ursächlich für diesen Ressourcen Verschwendung ist die Schließung des SWR Fundus in Baden-Baden…
UPDATE VOM 21.12.2021: Der SWR möchte ab Juli 2023 den Fundus an eine private Firma vermieten, welche ihn dann betreiben wird, sobald es hierzu konkretere Infos gibt folgt ein weiteres Update. Der neugeschaffene Möbel- und Kostümfundus soll am SWR Standort Saarstraße in Baden-Baden seinen Standort erhalten.
Seit einigen Monaten steht der Fundus mit seinen mehreren Millionen Leihartikeln keinen externen Produktionen mehr offen. Wo bisher die gesamte Filmbranche aus Baden-Württemberg und den angrenzenden Ländern geliehen hat, müssen nun Fundus in München oder Köln herhalten. Dies hat zur Folge, dass mehrere alle freien Produktionen oder auch Kinokoproduktionen mit dem SWR, nun erheblich mehr Aufwand betreiben müssen, zusätzliche Kosten haben und sich daher auch umgehend bei den einschlägigen Branchenverbänden gemeldet haben.
Gerade in den ohnehin Personell oft knapp besetzten Szenenbild Department bedeutet das eine enorme Kapazitätenbindung von Fahrer:innen und Fahrzeugen. Freie Produzent:innen haben ohnehin mit knappen Budgets zu kämpfen, müssen Arbeitstage, Personal und Fahrzeuge sparen – welche Auswirkungen die Schließung hat versuchen wir hier zu verdeutlichen:
Jemand muss die Artikel des Fundus besichtigen, auswählen und für die Angebotserstellung in der Regel vor Ort zusammensuchen. Dann werden die Artikel von der/dem Requisitenfahrer:in abgeholt, teilweise auch in Etappen pro Drehwoche, um beim leihen Geld zu sparen. Parallel wird in Etappen zurückgeliefert, all das passiert meistens mit einem großen Sprinter mit Kofferaufbau oder bei größeren Produktionen mit einem 7,5T LKW. Wie viele tausend zusätzlichen Kilometer dadurch anfallen müsste man pro Projekt betrachten, die Zahlen dürften aber immens sein und das schlägt sich dann auch in der ab 01.01.2021 vom Bund verpflichtend geforderten CO2 Bilanz nieder.
Selbst im benachbarten Ausland schlägt die Schließung Wellen: Die Agence Culturel Grand-Est hatte
sich umgehend gemeldet, es gibt mehrere Produktionen, die nun in Paris Requisiten leihen müssen, statt im grenznahen Baden-Baden. Und auch der französische Verband der Szenenbildner:Innen bedauert diese Entscheidung sehr und betont, auch die Konsequenzen in der Branche, die durch die Schließung folgen, nochmals genau zu prüfen.
Vordergründig stand zunächst eine zu dünne Personaldecke als Argument im Raum; wer sich aber auskennt, weiß, dass andere Landessender sich keinen eigenen Fundus mehr leisten. Unsere Befürchtung war, dass mittelfristig gar
kein eigener Fundus mehr betrieben werden soll, im Zuge einer Sparpolitik. Und tatsächlich klingt die Antwort auf unsere Stellungsnahme seitens SWR Intendant Kai Gniffke alles andere als rosig:
Wie Sie vielleicht wissen, befindet sich der SWR in einem tiefgreifenden digitalen Transformationsprozess, der alle Bereiche in unserem Sender betrifft. […]
Kai Gniffke, Intendant SWR
Dazu gehört auch, dass im Rahmen dieses Prozesses regelmäßig Dienstleistungen hinterfragt werden, die durch den technologischen Fortschritt insbesondere im Produktionsbereich nicht mehr oder nur noch in geringem Maße erforderlich sind. Deshalb wollen und müssen wir uns auch mit dem Bereich Ausstattung und der bestehenden Infrastruktur näher befassen. Eine Entscheidung ist hier noch nicht gefallen. […]
Aber es liegt auf der Hand, dass wir zukünftig keine Anfragen von Dritten mehr bedienen können, wenn wir unsere Werkstattbereiche schließen.
Mit dem Fundus könnte der SWR aktiv, nachhaltig in die Branche hinein wirkt und dies eben nicht nur durch
ausgestaltung grüner Vertragskriterien für Produzent:innen tun. Es klingt aber sehr deutlich so, als ob die Zeiten des Fundus gezählt sind und definitiv auch keine Drittprojekte mehr bedient werden können. SWR Intern wird wohl derzeit vieles auf die Waage gestellt und abgewägt, so zum Beispiel auch die szenischen Eigenproduktionen. Weitere Entscheidungen hierzu sollen aber erst im kommenden Jahr folgen.
Dies Entscheidung bedeutet nun, dass man ab sofort privatwirtschaftlich organisierte Fundus nutzen müsste, diese Angebote gibt es in Baden-Württemberg aber nicht. Selbst im Kamera- und Lichtbereich schaffen es die existierenden Verleiher gerade so, sich mit den Projekten über Wasser zu halten und diese benötigen deutlich weniger Lagerfläche und Infrastruktur. Ein privatwirtschaftlicher Fundus wäre in Baden-Württemberg derzeit nicht lukrativ zu betreiben, bei der geringen Menge an Projekten.
Aus produzentischer Sicht wird es in jeden Fall teurer werden, da der SWR Fundus eine attraktivere Preisgestaltung hatte und ein privater Fundus sich erstmal finanziell tragen können muss. Temporär bedeutet dies auch, dass viele Produzent:innen, die mit der Leihe aus dem Fundus auch ihre Regionaleffekte bei der Förderung bedienen wollten, umdisponieren müssen und die Szenenbildner:innen keine spontanen Problemlösungen mehr vor Ort bekommen, sondern alles angefahren werden muss, im Zweifel aus Köln.
Aus der Filmkonzeption der Landesregierung wissen wir, der Filmstandort Baden-Württemberg strukturell sehr viel schwächer aufgestellt ist als andere vergleichbare Standorte. Der SWR hat als Landessender dabei auch eine gewisse Verantwortung für die Branche in der Region – und mit der Schließung des Fundus wird der
Standort für Produktionen nur noch weiter geschwächt. Und das betrifft nicht nur Baden-Württemberg, sondern auch den grenznahen Raum, der Eurometropole Straßburg und der Region Grand-Est.
Um den Bogen zurück zu den Ökologischen Mindeststandards zu machen, dort gibt es folgendes Kriterium:
Kulissen, Dekorationsobjekte und Materialien sollen mehrfach verwendet werden.
Kriterienkatalog, Ökologische Mindeststandards
Dies kann z.B. durch Lagerhaltung, Leih-Miete oder Second-Hand-Nutzung geschehen.
Eine Kreislaufwirtschaft wird angestrebt.
Vielleicht sollte man ergänzen: … zumindest in Theorie.
Wir hoffen, dass die Beteiligten sich der Tragweite für die regionale Filmwirtschaft bewusst sind und versuchen, einen Dialog zur Lösungsfindung anzuregen. Baden-Württemberg braucht einen Fundus!
Getragen wurde unsere Stellungnahme von folgenden Partnern:
Association des Décorateurs de Cinéma (ADC) adcine.com | Association Métiers associés du décor (MAD) mad-asso.com | Bundesverband Green Film & TV Consultants (GCD) bvgcd.de |
Filmverband Südwest (FVSW) fvsw.de | Produzentenverband produzentenverband.de | Verband der Requisite & Setdecoration (VdRSD) vdr-sd.de |
ver.di-Baden-Württemberg, Fachbereich Medien, Kunst und Industrie medien-kunst-industrie-bawue.verdi.de | Verband der Berufsgruppen Szenenbild und Kostümbild (VSK) v-sk.de |